Corona-Blues

Nun hat uns der Corona-Blues also doch erwischt. Hatten wir doch bisher ganz ordentlich durchgehalten, die Vorschriften verinnerlicht, uns gegenseitig Mut gemacht, uns bei den anderen erkundigt wie es ihnen geht. Und nun das! Nach den ereignislosen Ostern, mit wenigen Eiern, mein Mann isst keine und ich, naja, Diät eben. Da fehlten für einmal die Enkel, die uns animierten und sich damit kleckernd und sabbernd vollstopften. In Abwesenheit eines Familienfestes, ein Picknick war ebenfalls nicht gestattet, wäre uns also nur noch die Videoschaltung geblieben, aber meine Mutter schafft sowas mit siebenundachtzig nicht mehr. Deshalb haben wir uns zu einem gemeinsamen Spaziergang entschieden, mit zwei Meter Abstand versteht sich. Dabei hatten wir stets die Durchhalteparolen des Bundesamtes für Gesundheit vor Augen, und waren guten Mutes, dass es irgendwann in naher Zukunft wieder besser wird.

Und dann stehen wir eines Morgens auf, und all die guten Vorsätze fliegen zum Fenster hinaus. Es beginnt damit, dass der Kaffee am Morgen ausgegangen ist. Wer hat die Dose geleert und vergessen auf den Einkaufszettel zu schreiben? Ein griff zum Brot. Oh Gott, es ist ergraut! Der Hilfe suchende Blick gen Himmel nutzt nichts, auch von da ist kein Trost zu erwarten. Wieder Sonnenschein! Das Wetter trocknet alles aus. Wie soll man sich da wohlfühlen?

Die Allergiker leiden unter dem Pollenstaub. Die Vegetation leidet an Wassermangel. Wir leiden alle mit, wenn auch indirekt, wegen dem Kontaktverbot. Wahrscheinlich geht es anderen ähnlich, mir jedenfalls war noch nie so bewusst wie heute, wie sozial veranlagt ich im Grund bin. Bisher sah ich mich eher als Eigenbrötlerin, ja Einzelgängerin.

Wir haben den Inhouse-Koller! Gerade weil das Wetter so schön ist. Gewohnt bei Sonnenschein und milden Temperaturen unverzüglich ins Freie zu strömen, würden wir nun gerne zum Picknick einladen, ein Eis im Gartenrestaurant geniessen oder eine Schifffahrt unternehmen. Ach, was erzähl ich da! Nichts ist mehr wie es war.

Da bleibt einem zu Hause nur noch der Fernseher. Und selbst da werde ich sentimental, wenn ich in Spielfilmen sehe, wie man vor der Coronakrise eine Party feierte. Wie man sich ungeniert in die Arme nahm und küsste, oder wie man sich genötigt sah, am zigsten Geschäftsapero teilzunehmen. Dinge, von denen wir heute nur träumen können.

Wie auch die Wochenendausflüge. Man war mit dem Camper auf Achse, reiste durch die Lande, war gerne unterwegs, mit dem Zug oder dem Bike. Man sammelte neue Eindrücke, lernte fremde Menschen und Kulturen kennen. Auch das - gestrichen. Viele Hotels sind wegen Gästemangel geschlossen. Und ehrlich: Wer will heute schon ernsthaft unter die Leute und REISEN? Wohin Bitteschön? Noch sind wir nicht lebensmüde! Da bleiben wir besser zu Hause.

Doch eben da sind wir schon seit Tagen und Wochen. Ablenkung und Aufheiterung tut Not und es hilft, zwischendurch mal so richtig zu Lachen. Zum Beispiel, wie italienische Politiker ihren Bürgern klarmachen, dass sie wirklich zu Hause bleiben müssen. (Gesehen auf Watson.)

Es sind oft auch einfache Dinge, die einem fehlen. Nach wochenlangem Selbst-kochen, Selbst-Backen und weiterem kreativem Gestalten in der Küche, gelüstet es einem nach auswärtigem Essen, wie Indisch oder Libanesisch, Thailändisch oder Italienisch oder einfach nach einem fetten Steak mit Pommes. Klar, es gibt Take-away. Die liefern gerne an die Tür, aber das ist nicht dasselbe. Das ist wie Heimkino, nicht zu vergleichen mit der Atmosphäre bei einem Konzert oder im Theater.

Gerade die Bühnenkünstler, wie Tänzerinnen, Musiker und Schauspielerinnen sind wohl die mit Abstand am meisten Betroffenen hier. Es gibt nichts Schlimmeres, als einem Komiker auf der Bühne zu zuschauen, zu dessen Pointen keiner lacht. Da hätte man wenigstens die gute alte Lachmaschine bemühen sollen, nur zur Überbrückung während der Corona-Zeit. So blieb nur dieses Nichts, diese Stille nach dem Sketch. Das war völlig deprimierend.

Wann ist endlich genug mit dem Corona-Scheiss? Das fragen sich viele Leute. Vor allem die Jüngeren sind mit der Geduld am Ende, und nicht nur sie. Wir alle haben die Nase voll. Das ändert leider nichts. Die Pandemie muss erst ausgestanden werden. Durchhalten, heisst die Parole.

Und mit den sinkenden Fallzahlen vor Augen, hat uns nun der Bundesrat einen etappenweisen Ausstiegsplan präsentiert. Es tut gut, endlich ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Irgendwo, in nächster Zukunft, meinetwegen mit Gesichtsmaske und zwei Meter Distanz und Queueing, und mit Videokonferenzen und WhatsApp. Wir sind zu allem bereit, wir haben gelernt damit umzugehen.

In dieser Zeit wird uns bewusst gemacht, wie sehr wir an unserer Bewegungsfreiheit hängen. Und wahrscheinlich habe nicht nur ich gelernt, wie sozial veranlagt wir alle im Grunde sind und was uns fehlt, wenn das Körperliche mit anderen verunmöglicht wird. Die einen bewegen Massen von Fans, den anderen genügt ein kleiner intimer Kreis, doch uns allen ist eines gemeinsam: Wir brauchen den persönlichen Kontakt zu anderen Menschen.