Sorry, Karl
Geld aus dem Fenster werfen, damit es zur Tür hereinkommt? Ich frage mich: Soll das eine Lebensweisheit sein? Da der Verbreiter dieser geflügelten Worte gestorben ist, werde ich ihm nichts Übles nachreden.
Aber dieser Satz macht mich sauer. Genauso sauer, wie es mich macht, wenn ich heute permanent im Stau stehen muss, weil das Autobahnstück zwischen Flughafen und Dietikon völlig überlastet ist. Im Kriechgang geht es entlang der längsten Baustelle. Und das für die nächsten vier Jahre, mit Tempo vierzig km/h, wo eigentlich 100 km/h oder mehr erlaubt wären. Das ärgert mich auch sehr, aber sonst hat das nichts mit dem Thema zu tun.
Oder anders gesagt: Ich hatte auch schon das Gefühl, Geld aus dem Fenster geworfen zu haben. Man zahlt für etwas, dessen Leistung schwach ist, oder sich einfach in Luft aufgelöst hat. Autoleasingverträge sind ein gutes Beispiel dafür. Die Fahrzeugbenützung kostet, das Kapital wird verzinst, die Abschreiber eingerechnet, der Service, und am Ende, wenn man die Summe aller Zahlungen rechnet, hat man bis zu fünfzig Prozent mehr als den Preis des Neuwagens bezahlt. Und trotzdem gehört er einem nicht. Und die Garage möchte ich sehen, die mir dazu Geld zurückgibt. Sicher nicht.
Zurück zu Kaiser Karl: Ich hatte nie das Vergnügen, ihn kennenzulernen. Und meines Erachtens passt dieser von Dekadenz zeugende, arrogant hingeworfene Satz zu ihm und seinem Umfeld. Aber sorry, ich finde das hanebüchener Mist. Da läuft mir die Galle über. Natürlich gibt es Vermögende, denen ein bisschen Geld aus dem Fenster werfen, kaum weh tut. Und wenn man es nüchtern betrachtet, meint er wohl, man solle das Geld unter die Leute bringen, dann kommt es mehrfach zu einem zurück. Das geht aber nur, wenn man Geld hat, um es rauszuwerfen.
Und dann gibt es Familienoberhäupter, von deren Einkommen andere abhängig sind. Wenn die, um ihren Ideen nachzuleben, Geld aus dem Fenster werfen, wird es für ihre Familien bitter. Ich habe damit Erfahrung. Mein Erzeuger war quasi das lebende Beispiel von 'Geld aus dem Fenster werfen'. Seine Frau klagte oft, wie sie ohne Bares den Haushalt zusammenhalten sollte. Er konnte eines Tages mit einem 'super-umgetauschten' Fernseher, bester Occasion, ins Wohnzimmer treten. Ganz günstig – gegen… das wollten wir besser nicht wissen .... Ohne Absprache, ob die sieben hungrigen Mäuler zu Hause, einen Farbfernseher benötigen, zu einer Zeit, wo neunzig Prozent der TV-Beiträge in schwarz/weiss gesendet wurden. Okay, das Geld wäre sonst eh nur für schnödes Essen oder Kleider ausgegeben worden. Aber so eröffnete sich uns eine ganz neue Welt in techno-color.
Die nicht versiegen wollenden genialen Ideen meines alten Herrn, wie man noch schneller, zu mehr Geld kommen könnte, waren legendär. Immer wieder jagte er einer Idee nach. Mit so einem Vorbild aufzuwachsen war höchst interessant. Da lief immer etwas, entweder war er im Begriff ein Projekt abzuschliessen oder das nächste anzupacken. Oder wenn er mit seinem todsicheren Zahlensystem, die Bank im Casino in Konstanz sprengen wollte. Das waren Aussichten!
Da musste die Teilnahme am Skilager eben zurückstehen, weil man gerade keinen Rappen entbehren konnte. Auch die Betreibungen, die ins Haus flatterten, nahm er nur als störendes Nebengeräusch wahr.
Leider blieb es beim ewigen Traum, reich zu werden. Er musste bis ins hohe Alter arbeiten, weil die Rente nicht reichte, und er gab zu: Wenn er nochmal jung wäre, würde er früher beginnen mit Sparen. Ich bekam von ihm mit auf den Weg, dass es sich lohnt für die eigenen Ideen und Ansichten einzustehen.
Doch ich lernte auf eindrückliche Weise, das liebe Geld im Auge zu behalten, und es besser nicht aus dem Fenster zu werfen. Weil es eben nicht zur Tür hereinkommt.