Füsse hoch!

Seit drei Wochen bin ich pensioniert, also stehe ich nicht, sondern liege. Die Füsse hoch drapiert, den Kaffee an meiner Seite, die Katze auf dem Schoss, so verbringe ich den grössten Teil des Tages.

Und schon zeigen sich die ersten Auswirkungen. Der durch die waagrechte Position stark unterbelastete Rücken meldet sich hinterhältig mit brennendem Ziehen bis in die Lenden. Auch meine rechte Schulter findet das Wegfallen der üblichen Beanspruchung durch das Herumschieben der Computermaus seltsam. Also meldet sie neuerdings rheumatische Entzündung an. Während ich bis vor kurzem, an der Arbeit von einem Termin zum anderen hetzte, hatte ich die Gebresten nicht bemerkt. Erst seit ich meine Tage als Pensionistin in der Horizontalen verbringe, kann ich beim Hochheben des Armes ein schmerzhaftes Stöhnen nicht mehr unterdrücken.

Beim allmorgendlichen Ritual, wobei ich probeweise aufstehe, um mich dann ganz bewusst und genüsslich wieder ins Bett zurückzulegen, damit ich den Moment nochmal vollends auskosten kann. Jenen Moment, nie mehr Aufstehen zu müssen, wie all die Tage zuvor, während all den Dienstjahren als treu funktionierende Angestellte, sondern einfach im Bett liegen bleiben zu können, bis ich verrotte. Wenn ich mich dann vor Mittag doch entschliesse das Bett zu verlassen, dann: O weh! Mein Kreuz. Sich beim Anziehen zu bücken, das geht jetzt nur mehr mit Geächze! Schuhe binden, nur mit aufseufzendem Schmerz.

Und überhaupt, auch im Yoga ist es viel anstrengender geworden. Eine Rückenrolle, nur noch begleitet von leidbetontem Stöhnen. Ausserdem zieht und pocht es in meinem Mund seit gestern, in der rechten, unteren Zahnreihe. Über Nacht quasi, fühlt es sich an als wären die Zähne durch und durch von Karies zerfressen und brächen bei der nächsten Kaubewegung in tausend Stücke. Ich war doch eben gerade zur Dentalkontrolle und man hatte mir glaubhaft versichert, es sei alles Bestens. Und jetzt das! Doch abgesehen von diesen Auswüchsen körperlichen Leidens, fühle ich mich herrlich. Von der anhaltenden Entspannung etwas matt, blinzle ich in die frische Februarsonne. Noch mal tief durchatmen und dabei spüren wie sich mein Nabel hebt und senkt, und mein Körper in die Sofapolsterung absackt.

Dann geht es los. Aufbruch! Zu neuen Ufern. Man erwartet mich bereits. Ich soll einspringen in der Verwaltung einer Schule. Die Leiterin hat ähnlich, wie ich es für meine Pensionierung getan habe, gekündigt, und zwar so abrupt, als würde sie die Handbremse ziehen. In solchen Fällen empfiehlt es sich eine Springerin zu engagieren. Denn die Bewältigung des Tagesgeschäfts muss gewährleistet werden, sowie Anträge und Beschlüsse für die Behördenmitglieder ausformuliert werden.

Die Vermittlungsstelle hat mich angefragt. Obwohl ich eigentlich nicht damit gerechnet habe, sobald schon eingesetzt zu werden, als ich mich meldete, habe ich zugesagt. Wie es aussieht, werde ich nun an anderer Stelle den Leuten für einige Monate unter die Arme greifen. Man wünscht, dass ich in einer grossen Gemeinde die Leitung der Schulverwaltung vertrete.

Gerade eben habe ich mich aus der Berufswelt herausgestürzt. Darum habe ich kein so gutes Gefühl, das wirkt alles, zu überhastet. Andererseits kann ich es viel gelassener angehen. Ich darf jetzt arbeiten, ich muss nicht. Ich habe mir geschworen es nur zu tun, so lange es Spass macht.

Bis zum Beginn bleibt mir noch etwas Zeit. Die Anfrage erfolgte für einen Einsatz in frühestens vier Wochen. Was schon wieder Schnee von gestern ist. Wie so oft ändern sich Versprechen dieser Art zügig. Tatsächlich wurden sogleich schnellere Kontakte gewünscht, und die vier Wochen sind innerhalb weniger Telefonate auf zweieinhalb zusammengeschmolzen. Es eilt! Wie immer. Etwas Gutes hat das Ganze. Zumindest vorübergehend werde ich den nervigen Gebresten entfliehen. Und, mit Blick auf das baldige Ende meiner freien Zeit, geniesse ich das Faulenzen bis zum Arbeitsantritt umso intensiver.

Ich liege also mit den Füssen hoch drapiert, den Kaffee an meiner Seite, die Katze auf dem Schoss und verbummle meine Tage.